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Die Erdenfahrt des Ganges oder Arjunas Buße – Mahabalipuram

von indienrundreisen.de
Penance rock Mamallapuram
Descent of the Ganges: Das berühmte „Descent of the Ganges“-Relief ist eines der größten Felsreliefs der Welt. Mit hunderten Figuren – Götter, Menschen, Tiere und mythische Wesen – entfaltet es eine kosmische Szene von Spiritualität und Natur. Ein gewaltiges Epos, direkt in Stein gemeißelt © CRS PHOTO

 

Mahabalipuram – Geschichten in Stein gemeißelt

Wer hört nicht gern eine gute Geschichte? In Mahabalipuram erscheinen sie nicht in Büchern, sondern in Stein – als Tempel, Reliefs und Höhlen, 19 davon dicht nebeneinander. Kein Wunder also, dass dieser Ort zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Ein Besuch fühlt sich an wie ein Spaziergang durch ein Freilichtmuseum – und ein einziger Tag reicht kaum, um all seine Schätze zu entdecken.

Die Pallava-Dynastie verwandelte Mamallapuram in eine einzigartige Ausstellung aus Kunst und Architektur. Die meisten Monumente wurden direkt aus dem Fels gemeißelt, nicht erbaut, sondern freigelegt. Bemerkenswert: Sie waren nie für Rituale bestimmt. Vielmehr scheint alles einzig dafür geschaffen, Ehrfurcht zu wecken und Besucher zu beeindrucken – damals wie heute.

Das berühmteste Werk ist das monumentale Relief Die Erdenfahrt des Ganges, auch bekannt als Arjunas Buße. Es bedeckt eine ganze Felswand und zeigt in faszinierendem Detailreichtum göttliche und irdische Wesen. Jeden Abend finden hier klassische Konzerte statt – eine Bühne, auf der Musik und Mythos miteinander verschmelzen.

 

„Die Erdenfahrt des Ganges“ oder „Arjunas Buße“

Vor dieser gigantischen Felswand fühlt man sich winzig: Fast 15 Meter hoch und 30 Meter breit ist das Relief, das im 7. Jahrhundert unter König Narasimha-Varman I. entstand. Der Herrscher, besser bekannt als Mamalla – „der große Ringer“ oder „der große Krieger“ – verlieh auch Mahabalipuram seinen Namen.

Das Relief selbst ist ein atemberaubendes Panorama aus Mythen, Göttern, Menschen und Tieren – alles direkt in den Granit gemeißelt. Ein Meisterwerk, das seit über 1.300 Jahren Geschichten erzählt und die Besucher in seinen Bann zieht.

Die Elefanten im Relief: Ein Meisterwerk der Naturbeobachtung: Die Elefanten in Arjunas Buße wirken so lebendig, dass man fast das Stampfen ihrer Schritte hört. Besonders eindrucksvoll sind die Babyelefanten, die sich eng an ihre Eltern schmiegen – drei beim mächtigen Bullen, zwei bei der Kuh. Gemeinsam zieht die Herde gemächlich zum Fluss, um zu trinken. Dieses Detail offenbart das tiefe Verständnis der Künstler für die „erhabene Kontinuität allen Lebens“ © canan kaya


In der Deutung dieses Reliefs als „Die Erdenfahrt des Ganges“ wird der Fluss zur Göttin selbst – Ganga, die im Himmel lebte und nicht zur Erde hinabsteigen wollte. Doch Bhagiratha, ein legendärer König aus dem Land des heutigen Uttar Pradesh, gab nicht auf. Mit strenger Askese und unermüdlicher Buße versuchte er, die Göttin zu erweichen und sie zum Abstieg auf die Erde zu bewegen.

Die Menschen jedoch fürchteten die gewaltige Kraft ihres Falles: Würde der Himmel sich öffnen, könnte die Erde unter der Wucht der Wassermassen zerbrechen. Also wandte sich Bhagiratha in seiner Verzweiflung an Shiva. Mit weiteren Entbehrungen bat er den Gott, die stürzende Ganga in seinem gewaltigen Haar – in den mächtigen Dreadlocks – aufzufangen und ihre Kraft zu bändigen.

So wurde aus dem wilden Fall des Himmelswassers ein lebensspendender Fluss, der bis heute als heilig verehrt wird.

Die Erdenfahrt des Ganges / Arjunas Buße: Dieses monumentale Relief aus dem 7. Jahrhundert, in zwei riesige Granitblöcke gemeißelt, erzählt eine mythische Geschichte: den Abstieg der heiligen Ganga zur Erde. Eine natürliche Felsspalte wurde kunstvoll einbezogen – während des Monsuns stürzt hier Wasser herab, das wie der Fluss selbst wirkt, der vom Himmel herabfließt. Inmitten der Szene steht Bhagiratha, abgemagert, einbeinig, in tiefer Buße, während Shiva mit erhobener Waffe erscheint, um die Kraft des Ganges zu bändigen. Überall wimmelt es von Leben: tanzende Ganas, göttliche Nagas in Mensch-Schlangen-Gestalt, himmlische Paare, die sich zum Wasser wenden. Humorvolle Szenen lockern die Ernsthaftigkeit auf – wie der Hirsch, der sich die Nase kratzt, oder die Affen, die in spielerischer Nachahmung die Asanas der Weisen kopieren. Dieses Relief ist nicht nur religiös, sondern auch ein Abbild von Humor, Natur und kosmischer Harmonie © pjhpix


Wer vor diesem gewaltigen Relief steht, entdeckt bei jedem Blick neue Details. Shiva selbst dominiert die Szene: groß und aufrecht thront er in der oberen linken Ecke, majestätisch über allen anderen Figuren. Direkt daneben – für den Betrachter rechts – steht Bhagiratha, ausgemergelt, auf einem Bein, die Arme erhoben in tiefer Yogahaltung. In einer anderen Lesart ist es Arjuna, der mit seiner Askese versucht, Shiva zu bewegen, ihm die mächtigste Waffe für den Mahabharata-Krieg zu schenken. In Shivas rechter Hand glänzt diese Waffe, umgeben von fünf Zwergen, die die Elemente und Sinne verkörpern.

Im Zentrum des Reliefs, in der tiefen Spalte des Felsens, zeigt sich die Göttin Ganga, flankiert von zwei Nagas – geheimnisvollen Naturgeistern, halb Mensch, halb Schlange. Einst wurde bei Festen Wasser durch diese Spalte geleitet, sodass der Ganges selbst aus dem Fels herabzufließen schien.

Doch zwischen den heiligen Figuren versteckt sich auch Humor: Unter dem Stoßzahn des riesigen Elefanten ahmt eine Katze die Yogapose Arjunas nach. Nur dass sie mit kugelrundem Bauch und toten Ratten um sich herum eher Heuchelei als Frömmigkeit darstellt – ein feiner satirischer Kontrapunkt, der Arjunas echte Hingabe noch stärker hervorhebt.

Und das ist nur ein Teil des steinernen Dramas: Insgesamt 146 Figuren sind zu sehen – göttlich, skurril, menschlich. Unten links kratzt sich ein Reh mit dem Hinterhuf an der Nase, über ihm ruht ein Löwe in seiner Höhle, darüber sitzt ein Weiser mit seinen kopflosen Schülern, neben einem kleinen Tempel, in dem Vishnu steht. Die lebensgroße Elefantenfamilie mit ihren Kälbern wirkt so natürlich, dass man fast das Trompeten der Tiere hören möchte.

Dieses Relief ist kein starres Bild – es ist ein Kosmos in Stein, ernsthaft, humorvoll, heilig und menschlich zugleich.

Der halbfertige Felsblock: Auch ein unvollendeter Block wie dieser in Mahabalipuram erzählt seine Geschichte. Er zeigt die Arbeit im Prozess, als wäre die Zeit eingefroren. Man spürt noch den Rhythmus der Hämmer, die hier vor Jahrhunderten erklangen © CRS PHOTO


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