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Der Main Durbar Square in Kathmandu – Hanuman Dhoka (Old Royal Palace)

von indienrundreisen.de
Statue von Hanuman auf dem Hanuman Dhoka
Die Statue des Affengottes Hanuman, einer zentralen Figur des Ramayana, wacht hoch oben auf dem Dach des alten Königspalastes in Patan © Andy Wasley

 
Main Durbar Square in Kathmandu

OLD ROYAL PALACE
Nassal Chowk
Das Tribhuvan Museum
Basantapur Tower
Mahendra Museum
Lohan Chowk
Mul Chowk
Der schlafende Vishnu
Kumari Chowk
Kasthamandap
Singha Satal (Silyan Sattal)
Kabindrapur Mandir (Dhansa)
Maru Ganesh (Ashok Vinayak)
Narayan Mandir (Trailokya Mohan) 
Gaddi Baithak
Mahadeva Mandir (Maju Deval)
Shiva Parbati Mandir
Rund um die Taleju Bell
Die Sweta Bhairava Maske
Krishna Mandir
Jagannath Mandir
Kala Bhairava
Taleju Mandir


 

(Täglich von 9 bis 16 Uhr geöffnet)

Wer seine Reise in Kathmandu beginnt, landet unweigerlich am Durbar Square – einem vibrierenden Herzstück der Stadt. Zwischen Tempeln, Palästen und geschäftigem Treiben entfaltet sich hier Geschichte zum Anfassen. Zwar haben die Erdbeben Spuren hinterlassen, doch die Faszination des Platzes ist ungebrochen, und Jahr für Jahr strömen Besucher aus aller Welt hierher.

Im Mittelpunkt steht der Old Royal Palace, den die Einheimischen ehrfurchtsvoll Hanuman Dhoka nennen. Der Name geht auf das mächtige Eingangstor zurück, vor dem der Gott Hanuman über den Palast wacht. Schon bevor man den Hof betritt, lohnt sich ein Blick nach rechts: Hinter einem bunt verzierten Gitter verbirgt sich die Maske des furchteinflößenden Shiva, besser bekannt als Seto Bhairab. Sie sollte einst böse Geister fernhalten. Nur einmal im Jahr, während des farbenprächtigen Indra-Jatra-Festes, wird die Maske enthüllt, mit Blumen geschmückt – und aus ihrem Mund sprudelt dann Reisbier, das neugierige junge Männer anzieht.

Auf der linken Seite erhebt sich eine eindrucksvolle Säule mit der Statue von König Pratapa Malla. Auf einer Lotosblüte kniend, blickt er direkt auf den dreistöckigen Degu-Taleju-Tempel, in dem er regelmäßig betete. Rund um ihn sind kleine Figuren seiner Gemahlinnen und Söhne angeordnet – ein Bild der Hingabe und Familie. Auffällig ist die kniende Pose: Ganz anders als die stolzen, aufrecht stehenden Herrscher der späteren Rana- und Shah-Dynastie ließen sich die Malla-Könige bescheiden darstellen.

Wer schließlich den Palast selbst betritt, passiert den Hanuman, den „Affenkönig“ aus dem Epos Ramayana. Seit über 300 Jahren wacht er, in rote Gewänder gehüllt und mit Sindoor und Senföl im Gesicht, über das Tor. Schon damals beschrieben Besucher seine Züge detailreich, denn Hanuman galt als mächtiger Schutzgeist: Er brachte Siege, vertrieb Dämonen, Hexen und – so erzählt man – sogar die Pocken.

Schnitzerei von Hanuman Dhoka Durbar Square Nepal

Feinste Holzschnitzereien schmücken die Hanuman Dhoka am Durbar-Platz – einem der drei prachtvollen königlichen Plätze im Kathmandutal, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen © Anirut Thailand


 

OLD ROYAL PALACE

Einst war der königliche Palast an diesem Platz ein wahres Labyrinth: Aufzeichnungen aus dem Jahr 1880 berichten von bis zu 50 Höfen, die sich hier aneinanderreihten. Heute sind nur noch etwa ein Dutzend erhalten – manche verschwanden im Laufe der Zeit, andere fielen dem verheerenden Erdbeben von 1934 zum Opfer. Doch selbst in seiner reduzierten Form erstreckt sich der Palast noch immer auf imposante 20.000 m².

Die Wurzeln königlicher Residenzen an diesem Ort reichen bis ins 5. Jahrhundert v. Chr. zurück. Von den heutigen Gebäuden jedoch ist keines so alt – der berühmte Hanuman Dhoka etwa entstand „erst“ vor rund 300 Jahren. Über die Jahrhunderte ließen verschiedene Herrscher immer neue Höfe, Hallen, Tempel, Türme und Wohntrakte errichten, sodass der Old Royal Palace ein faszinierendes Mosaik aus Epochen und Stilen ist.

Unverkennbar trägt der Palast die Handschrift der Malla-Dynastie. Erst später residierten auch die Shah-Könige hier – jedoch nur für ein knappes Jahrhundert, bevor sie in den Narayanhiti-Palast übersiedelten. Heute ist der Old Royal Palace nur in Teilen zugänglich: Einige Bereiche sind Schauplatz feierlicher Zeremonien und spiritueller Traditionen, während andere ganz unscheinbar als Büros oder Lagerräume genutzt werden.

So bleibt der Old Royal Palace ein Ort voller Kontraste – halb lebendiges Museum, halb gelebter Alltag, und zugleich ein eindrucksvolles Zeugnis der wechselvollen Geschichte Kathmandus.

Bhairav ​​​​Vat Hanuman Dhoka Durbar-Platz

Kala Bhairava, eine mächtige Manifestation Shivas und Herrscher über die Zeit, zeigt sich eindrucksvoll am Tempel im Hanuman Dhoka in Kathmandu © MosayMay


 

Nassal Chowk

Nassal Chowk – benannt nach Shivas tanzender Gestalt – ist der erste Hof, den Besucher des Palastkomplexes betreten. Schon beim Eintritt spürt man, dass hier Geschichte lebendig wird. Einst war dieser Platz Bühne prachtvoller Tanzdramen der Malla-Könige, später diente er den Shah-Herrschern als Ort für Krönungen. Noch heute trägt er diese Funktion: Zuletzt wurde hier König Gyanendra gekrönt – nach der Tragödie von 2001, bei der fast die gesamte nepalesische Königsfamilie ausgelöscht wurde.

Am linken Rand des Hofes zieht eine dramatische Statue den Blick auf sich: Narasingha, die Löwen-Inkarnation Vishnus. In schwarzem und silbernem Glanz hält er den Dämon fest und zerreißt ihn mit bloßen Händen – eine Szene von brutaler Wucht. Der Mythos erzählt, dass Vishnu sich in Narasingha verwandelte, weil der Dämon weder von Mensch noch Tier, weder mit Waffe noch Zauber getötet werden konnte. König Pratapa Malla selbst ließ diese Statue errichten, nachdem er bei einem Tanz hinter einer Narasingha-Maske von der Gottheit „ergriffen“ worden war. Um den rastlosen Geist zu besänftigen, sollte er ihm einen eigenen Platz schaffen – und so entstand dieses furchteinflößende Kunstwerk.

Ringsum erzählen Galerien und Wände ihre eigenen Geschichten: An der linken Seite hängen die Portraits der Shah-Könige, während die Mallas hier einst Audienzen hielten. Die östliche Wand birgt einen vergoldeten, vielarmigen Vishnu, geschützt von Glas – ein schimmerndes Juwel inmitten des Hofes. Wer weiter nach Norden blickt, entdeckt den Panch Mukhi Hanuman, einen fünfgesichtigen Hanuman-Tempel, der ebenso wie der kleine Tempel in der gegenüberliegenden Ecke der Öffentlichkeit verschlossen bleibt.

Doch nicht nur die Götter und Könige beeindrucken hier – auch die Handwerkskunst zieht Besucher in ihren Bann. Fenster, Türen und Wände sind von filigranen Schnitzereien überzogen: Schlangenwesen (Naga), Tiere und unzählige Ornamente. Besonders der Eingang zum benachbarten Lohan Chowk zeigt die Meisterschaft der Newari-Kunst – mehr als zwanzig unterschiedliche Schnitzereien zieren allein diesen Torbogen.

Nassal Chowk ist damit nicht nur ein Ort der Macht und Mythologie, sondern auch ein lebendiges Museum feinster nepalesischer Baukunst.

Leute gehen auf altem königlichem Palast des alten Basantpur-Quadrats

Der weitläufige Basantapur-Platz gehört zum historischen Hanuman-Dhoka-Komplex, der sich majestätisch über ganze fünf Hektar erstreckt © FS11


 

Das Tribhuvan Museum

Benannt nach Rashtrapita – dem „Vater der Nation“ – erzählt das Tribhuvan Museum die bewegte Geschichte eines Königs, der Nepal in eine neue Zeit führte. König Tribhuvan spielte 1951 eine entscheidende Rolle bei der Wiederherstellung der Monarchie und beim Öffnen des Landes für die Welt jenseits seiner Grenzen.

Die südlichen und westlichen Flügel nahe dem Nassal Chowk sind heute mit Schätzen aus seiner Regentschaft gefüllt: kunstvolle Kronjuwelen, die bei seiner Krönung glänzten, prächtige Throne, fein gearbeitete Möbel, Waffen, Trophäen – bis hin zu einer aufwendig verzierten Kassette. Zeitungsartikel und Fotografien aus den Jahren 1950 und 1951 lassen die dramatischsten Momente seiner Herrschaft lebendig werden: den mutigen Entschluss, ins indische Exil zu fliehen, den Widerstand, den er von dort aus anführte, und schließlich seine triumphale Rückkehr nach dem Sturz der Rana-Herrschaft.

Ein kleiner Wermutstropfen: Viele Exponate sind zwar wunderschön, doch bleiben ohne englische Beschriftungen oft rätselhaft. Wer jedoch zwischen den Vitrinen verweilt, spürt den Geist einer Zeit des Umbruchs, in der Nepal einen neuen Weg einschlug.

Und auch über die Mauern des Museums hinaus ist König Tribhuvan unvergessen – der internationale Flughafen in Kathmandu trägt seinen Namen und hält sein Vermächtnis lebendig.

 

Basantapur Tower

Direkt neben dem Tribhuvan Museum erhebt sich der prächtige Basantapur Tower – ein neun Stockwerke hohes Wahrzeichen, das mit seinen 30 Metern majestätisch über den Durbar-Platz ragt. Er ist der höchste der Türme, die König Prithvi Narayan Shah errichten ließ, um die vier großen Städte des Kathmandutals zu repräsentieren.

Der Backsteinturm ist reich verziert mit filigranen Holzschnitzereien, die seine Fassaden wie ein ornamentales Kleid umhüllen. Wer genau hinsieht, entdeckt am unteren Bereich erotische Darstellungen, die geheimnisvoll und verschlüsselt wirken – ein Spiel für aufmerksame Augen. Obwohl der Turm schon vor Prithvi Narayan existierte, ließ er zusätzliche Stockwerke aufsetzen, wodurch das Bauwerk seine eindrucksvolle Höhe erreichte. Der Name „Basantapur“ – Pavillon des Frühlings – verrät seinen ursprünglichen Zweck: Freude und Leichtigkeit zu schenken.

Für Besucher ist der Aufstieg über die schmalen Stufen ein kleines Abenteuer. Doch jeder Schritt lohnt sich: Unterwegs erwarten einen Fachwerkwände, flatternde Windspiele und das leise Klingen von Glocken. Oben angekommen öffnet sich ein Panoramablick über das Kathmandu Valley: Im Norden erhebt sich der Taleju-Tempel, unter einem breitet sich der Basantapur Square aus, und die mehrstufigen Dächer des Palastes zeichnen ein Bild nepalesischer Prachtarchitektur.

Selbst wer nicht bis ganz hinauf steigt, wird mit wunderschönen Einblicken belohnt – doch wer die Spitze erreicht, erlebt Kathmandu aus einer atemberaubenden Perspektive.

hof des alten königlichen palastes durbar square kathmandu

Der Innenhof des Hanuman Dhoka verzaubert mit stiller Schönheit – einst Residenz der Malla-Könige. „Dhoka“ bedeutet im Nepalesischen „Tür“ © cornfield


 

Mahendra Museum

Nach dem Abstieg vom Basantapur Tower führt der Weg zurück in den Nassal Chowk – und direkt hinein ins Mahendra Museum. Die verwinkelten, fast labyrinthartigen Gänge nehmen Besucher mit auf eine Reise durch das Leben von König Mahendra, ähnlich wie das benachbarte Tribhuvan Museum seinem Vater gewidmet ist.

Besonders eindrucksvoll sind die detailgetreuen Rekonstruktionen: Sein Kabinettszimmer und sein Büro wirken so authentisch, als könnte der König jeden Moment hereinkommen. Auch Einblicke in seine persönliche Leidenschaft werden gewährt – eine umfangreiche Liste dokumentiert die Tiere, die er auf Jagdreisen in verschiedenen Ländern erlegte. Diese Sammlung zeigt nicht nur Mahendras Macht und Einfluss, sondern spiegelt auch die damalige Zeit und deren Vorstellungen von Prestige wider.

Nach diesem Blick in die Vergangenheit, der Politik und Privates miteinander verbindet, führt der Rundgang zurück in Richtung Lohan Chowk – dorthin, wo sich Geschichte und Architektur zu einem einzigartigen Erlebnis vereinen.

 

Lohan Chowk

Wer vom Nassal Chowk durch den reich verzierten Torbogen in den Lohan Chowk tritt, wird sofort von der kunstvollen Holzschnitzerei überwältigt. Über dem Scheitelpunkt des Tores thront der Elefantengott Ganesh – ein Symbol für Glück und Neubeginn. In diesem Hof verbrachten einst die Malla-Könige und später einige der Shah-Herrscher ihre Tage.

Die Architektur erzählt von Macht und Einheit: In den vier Ecken des Platzes ragen Türme empor, die die großen Städte des Kathmandutals repräsentieren – Kirtipur, Patan, Basantapur und Bhaktapur. Jeder Turm besitzt seine eigene Form und Persönlichkeit: der runde Kirtipur Tower mit seinem Kupferdach, der quadratische Ialitput (Patan) Tower, der rechteckige und stolze Basantapur Tower sowie der elegante, achteckige Bhaktapur Tower. Zwischen Bhaktapur und Patan erhebt sich der Vilas Mandi, der „Tempel des Luxus“, dessen Fassade ein Feuerwerk an Ornamenten, Mustern und filigranen Schnitzereien bietet.

Doch so prachtvoll der Hof heute wirkt – er stand einst am Abgrund. Das Erdbeben von 1934 und Jahrzehnte der Verwitterung hatten die Gebäude so sehr geschwächt, dass sie in den 1970ern fast zusammenbrachen. Erst ein ehrgeiziges Restaurierungsprojekt von UNESCO und UNDP rettete den Lohan Chowk. Lokale Handwerker kombinierten uralte Techniken mit moderner Baukunst. Stein für Stein, Balken für Balken wurde alles auseinandergenommen, und jede der rund 20.000 Holzschnitzereien und Malereien sorgfältig katalogisiert. Gereinigt, restauriert und teilweise erneuert, fanden sie schließlich wieder an ihren ursprünglichen Platz zurück – so, wie sie einst gedacht waren.

Heute können Besucher im Lohan Chowk nicht nur die Schönheit vergangener Jahrhunderte bewundern, sondern auch die Meisterleistung sehen, wie Tradition und Moderne zusammenwirken, um Nepals Erbe lebendig zu erhalten.

Status von Vishnu Budhanikantha

Die mystische Statue des liegenden Vishnu schwebt im Wasser des Budhanilkantha Freilufttempels in Kathmandu und zieht Gläubige wie Besucher gleichermaßen an © Oscar Espinosa


BEAT OP VISHNU BUDHANKI KANDHA

Detailreich zeigt sich Vishnu als Schöpfer allen Lebens im Budhanilkantha-Tempel – umgeben von Blumengaben der Gläubigen © Oscar Espinosa


 

Mul Chowk

Hinter dem Lohan Chowk öffnet sich der Mul Chowk, einer der ältesten und zugleich geheimnisvollsten Höfe des Palastes. Errichtet im Jahr 1564 von den Malla-Königen, war er Schauplatz großer Momente: Hier fanden Krönungen neuer Herrscher statt, ebenso wie königliche Hochzeitszeremonien.

Der südliche Flügel birgt einen heiligen Schrein für Taleju – die Göttin, die eng mit der lebenden Göttin Kumari verbunden ist. Doch dieser Teil des Palastes bleibt den Augen der Öffentlichkeit verborgen. Nur während des Dasain-Festivals öffnen sich die Tore für einen Tag, wenn die königliche Familie im Zentrum des Hofes Tieropfer darbringt. Dann dürfen auch gläubige Hindus einen Blick auf die Zeremonien werfen – alle anderen müssen draußen bleiben.

Für Besucher bleibt der Mul Chowk ein Ort voller Sehnsucht und Geheimnis: Wer durch den Torbogen späht, entdeckt kunstvolle Holzschnitzereien und filigrane Dekorationen, die von der Pracht vergangener Jahrhunderte erzählen – und zugleich die Aura eines Ortes bewahren, der bis heute tief im Ritual verankert ist.

 

Der schlafende Vishnu

Versteckt in den königlichen Gärten von Bhandarkhal liegt die dritte Statue des schlafenden Vishnu im Kathmandutal – ein geheimnisvoller Schatz, den man nur aus der Ferne erblicken kann. Wer nach Osten geht, nachdem er den Lohan Chowk verlässt, kann einen Blick wagen – am besten vom Dachgarten des nahegelegenen Hotel Classic.

Die Geschichte dieser Statue ist so ungewöhnlich wie faszinierend. König Pratapa Malla entdeckte sie einst, versunken in einem Teich in Gyaneshwar. Um sie würdig zu präsentieren, ließ er einen kunstvollen Tank errichten – und verfügte, dass dieser ausschließlich mit Wasser aus dem Tank der berühmten Budhanilkantha-Vishnu-Statue gefüllt werden durfte. Über ein Jahr lang arbeiteten Handwerker daran, einen Kanal zwischen den beiden Orten zu schaffen. Als das Wasser schließlich zu fließen begann, ehrte Pratapa Malla Vishnu voller Hingabe.

Doch kurz darauf hatte der König einen beunruhigenden Traum: Ein Omen warnte ihn davor, Budhanilkantha erneut zu besuchen – es hieß, er würde dort den Tod finden. Aus Furcht mieden daraufhin Generationen von Königen diesen heiligen Ort.

Und noch eine Entdeckung verknüpft sich mit diesem Projekt: Bei den Ausgrabungen stießen Arbeiter auf die Statue des Kaalo Bhairab. Heute thront sie eindrucksvoll am Eingang des Durbar Square – als furchterregender Wächter der Stadt.

So verbindet die Statue des schlafenden Vishnu im Bhandarkhal nicht nur Mythen und Rituale, sondern auch Schicksal, Glaube und das Echo vergangener Könige.

Leute gehen vor dem Kumari Ghar Kathmandu

Das Kumari Ghar, Residenz der lebenden Göttin Kumari, thront seit 1757 am Durbar-Platz und begeistert mit kunstvollen Holzschnitzereien der Newari-Architektur © Fotos593


 

Kumari Chowk

Gehen Sie in südlicher Richtung über den Durbar Square – dann öffnet sich vor Ihnen der Kumari Chowk, der prächtige Palast der lebenden Göttin. Die üppigen Ornamentiken und feinen Holzschnitzereien verraten sofort: Diese Kumari nimmt eine herausgehobene Stellung ein, weit bedeutender als die anderen Kindgöttinnen der Region.

Der Tempel selbst ist ein faszinierendes Beispiel für Nepals religiöse Verschmelzung: Elemente älterer Volksglauben treffen hier auf buddhistische und hinduistische Traditionen. Besucher, die nicht dem Hinduismus angehören, dürfen den mit reichen Schnitzereien geschmückten Hof — einen Bahal — betreten und seine Atmosphäre aufnehmen, nicht jedoch die Privaträume erklimmen.

Wenn Sie die Kumari sehen möchten, richten Sie Ihren Blick zum speziellen Beobachtungsfenster: Zu bestimmten Tageszeiten und Anlässen sitzt sie dort, fein herausgeputzt in roter Robe, silbernem Schmuck und mit dem rituellen Make-up, das das dritte Auge in der Mitte ihrer Stirn betont. Fotografien vom Chowk sind erlaubt — doch vom Gesicht der Kumari dürfen niemals Bilder gemacht werden. Stattdessen laden einige Besucher dazu ein, in sich zu horchen: Stellen Sie in Gedanken eine Frage und achten Sie auf ihren stillen Ausdruck — der Glaube sagt, dass die Antwort sich darin offenbaren kann.

Angrenzend steht der prächtige Wagen, auf dem die Kumari während des farbenfrohen Indra Jatra durch die Straßen gezogen wird; die schwere Trage muss der Tradition zufolge sorgfältig erhalten werden. Nur wenige Schritte östlich liegt der lebhafte Basantapur Square mit seinen Händlern — heute ein guter Ort für Souvenirs, einst jedoch Heimat der königlichen Elefanten.

Eilt nicht nur hindurch: Der Kumari Chowk entfaltet seine Bedeutung erst, wenn man ein paar Minuten verweilt und über die besondere Rolle dieser jungen Göttin in Nepals Leben und Ritualen nachdenkt.

Kasthamandap Tempel am Hanuman Dhoka Durbar Square Kathmandu

Der Kasthamandap-Tempel, 2015 zerstört und 2022 glanzvoll wiederaufgebaut, beeindruckt mit seiner Konstruktion aus reinem Holz – ganz ohne Nägel © shree ram Shrestha


 

Kasthamandap

Mitten im Herzen Kathmandus erhebt sich – oder besser gesagt: erhob sich – einer der bedeutendsten Tempel der Stadt: der Kasthamandap, was so viel wie „Holzpavillon“ bedeutet. Sein Fundament liegt auf einem uralten Knotenpunkt von Handelsrouten, die Nepal einst mit Tibet verbanden. Doch das verheerende Erdbeben von 2015 ließ nichts als den Steinsockel übrig. Heute wächst der Tempel Stück für Stück aus den Ruinen empor – ein Wiederaufbau, der Vergangenheit und Zukunft verbindet.

Lange hielt man König Lakshmina Narasimha Malla für den Erbauer im Jahr 1596. Die Legende erzählt sogar, dass das gesamte Bauwerk aus dem Holz eines einzigen, gigantischen Salbaumes gezimmert worden sei. Doch Historiker fanden inzwischen Belege, dass der Kasthamandap bereits um 1100 existierte – erwähnt in alten Schriften, als Ort für Händler und Reisende. Seine Lage direkt an den Routen und der offene Erdgeschossbereich zeigen klar: Er diente als Rastplatz für Karawanen, die im Winter aus dem malariareichen Terai hierherzogen und im Frühling, wenn der Schnee in Tibet schmolz, mit neuen Waren zurückkehrten. So wurde der Kasthamandap zum pulsierenden Herz einer Handelswelt, die Kathmandu zu einer Macht in der Region machte.

Mit der Zeit wandelte sich seine Funktion: Aus einem Handelszentrum wurde ein Tempel, geweiht Gorakhnath und den Anhängern des Tantra. Im Zentrum stand der Hauptschrein, umgeben von kleineren Altären für andere Gottheiten. Später verschönerten die Malla-Könige den Bau: bronzene Löwen flankierten den Haupteingang, im ersten Stock fand hinduistische Kunst aus Epen ihren Platz. Besonders bedeutend aber sind die vier Ganesh-Statuen, die den Kasthamandap symbolisch mit den vier großen Ganesh-Tempeln des Kathmandutals verbinden. Wer hier betet, so heißt es, erhält dieselben Segnungen wie an allen vier heiligen Orten.

Der Kasthamandap ist damit mehr als ein Tempel: Er ist Handelsgeschichte, Mythos und spirituelles Zentrum in einem – und seine Wiederauferstehung erinnert daran, dass selbst aus Trümmern neue Kraft erwachsen kann.

 

Singha Satal (Silyan Sattal)

Südlich des Kasthamandap erhebt sich das Singha Satal, ein Bauwerk, das gleich zwei große Erdbeben – 1934 und 2015 – schwer getroffen haben. Der Legende nach stammt das Holz dieses Gebäudes sogar vom selben riesigen Salbaum, aus dem auch der Kasthamandap errichtet wurde. Sein Name bedeutet „Löwe“ – passend, denn in jeder Ecke des Bauwerks stehen Löwenstatuen, die es bewachen und ihm seine majestätische Aura verleihen.

Doch das wahre Juwel des Singha Satal ist im Inneren verborgen: eine der meistbewunderten Darstellungen Vishnus in ganz Nepal. Er erscheint hier als Hari Krishna, mit vier Armen, thronend über dem geflügelten Gott Garuda, der halb Mensch, halb Vogel ist.

Die Skulptur erinnert an eine alte Legende: Vishnu kämpfte gegen den Dämonenkönig Bhaumasur, besiegte ihn und rettete 1600 unschuldige Mädchen aus dessen Gefangenschaft. Dieses Bild strahlt nicht nur Macht und Erlösung aus – es erzählt von Hoffnung, Triumph und dem Sieg des Guten über das Böse.

So ist das Singha Satal nicht nur ein architektonisches Kleinod, sondern auch ein spirituelles Symbol, das Besucher in die Mythenwelt Nepals eintauchen lässt.

Große Statue bei Hanuman Dokha Kathmandu

Zwischen Höfen, Tempeln und Palästen des Hanuman Dhoka-Komplexes erheben sich kunstvolle Stein- und Holzstatuen, die Geschichten vergangener Epochen erzählen © jmaehl


Reisetipp:

Kommen Sie am besten in den frühen Morgenstunden: Dann erfüllt das leise Murmeln der Gebete die Luft, während Männer andächtig ihre Rituale vollziehen und Frauen frische Blumen als Opfergaben niederlegen. Doch auch ein Besuch bei Nacht lohnt sich – wenn die Tempel im Schein unzähliger Kerzen und kleiner Lampen erstrahlen, der Duft von Weihrauch durch die Gassen zieht und die ganze Szenerie eine beinahe mystische Atmosphäre verströmt.

 

 

Kabindrapur Mandir (Dhansa)

Östlich des Kasthamandap erhebt sich der Kabindrapur Mandir, ein Tempel, der ganz dem tanzenden Shiva geweiht ist. Noch heute kommen Tänzer hierher, um ihn in ehrfürchtigen Ritualen zu verehren – ein lebendiges Zeugnis dafür, wie eng Glaube und Kunst in Nepal verbunden sind.

Wer durch die Gitter am Erdgeschoss blickt, entdeckt Natyeshwar, den tanzenden Shiva, dargestellt in unterschiedlichen, kunstvollen Posen – voller Energie, Bewegung und spiritueller Kraft. Doch nicht nur die Figuren lohnen den Besuch: Auch die Architektur des Tempels selbst beeindruckt.

Drei weiße Spitzen krönen das Dach wie zarte Vasen, während darunter ein aufwendig gearbeiteter Balkon mit sieben Fenstern das gesamte zweite Stockwerk umschließt. Die filigranen Holzschnitzereien an Stützbalken und Fassaden machen den Kabindrapur Mandir zu einem wahren Schmuckstück traditioneller Newari-Baukunst.

So verbindet dieser Tempel Kunst, Tanz und Spiritualität – und belohnt Besucher mit einer Mischung aus mystischer Atmosphäre und handwerklicher Meisterschaft.

Königspalast mit grünen Fensterläden und Blumentöpfen. Durbar-Platz, Kathmandu

Der Palast der Malla- und Shah-Könige von Hanuman Dhoka trägt den Namen der Affengottheit Hanuman, die durch eine Statue am Eingang verewigt ist © salajean


 

Maru Ganesh (Ashok Vinayak)

Zwar ist der Maru Ganesh Tempel kleiner als viele seiner Nachbarn, doch seine Bedeutung ist ungleich größer. Einst war er einer der ersten Orte, die ein neuer König nach seiner Krönung aufsuchte, um den Segen des Elefantengottes zu erbitten. Bis heute kommen Reisende vor ihrer Abreise nach Nepal hierher, um für eine sichere und erfolgreiche Reise zu beten.

Das goldene Dach, das König Surendra Bikram Shah Dev einst hinzufügen ließ, verleiht dem Tempel einen besonderen Glanz. Im Inneren thront Ganesh, auch Vinayaka oder Ganapati genannt – der Bringer von Glück und Weisheit. Wer ihn verehrt, läutet zuvor die schwere Tempelglocke, bevor er seinen Weg in andere Schreine fortsetzt. Auf den Stufen vor dem Tempel flackern Butterlampen, daneben stapeln Händler ihre Waren – ein stilles, doch eindrucksvolles Bild gelebter Tradition.

Der Ort birgt aber auch eine überraschende jüngere Geschichte: In den 1970er-Jahren zog es zahlreiche Hippies nach Kathmandu. Die kleine Gasse westlich des Tempels wurde schnell zu ihrem Treffpunkt – und erhielt den Spitznamen Pie Alley, da hier Bäckereien und Kuchenstände eröffneten. Heute trägt die Straße wieder ihren ursprünglichen Namen Maru, ist aber nach wie vor ein quirliger Ort mit Geschäften aller Art.

So vereint der Maru Ganesh Tempel jahrhundertealte Spiritualität mit einer bunten, fast weltlichen Geschichte – ein Spiegelbild des lebendigen Kathmandu.

 

Narayan Mandir (Trailokya Mohan)

Zwischen dem Kumari Chowk und dem Kasthamandap lagen einst die prachtvollen Mauern des Trailokya Mohan, eines Tempels, der Vishnu – in Nepal meist Narayan genannt – geweiht war. Doch das Erdbeben von 2015 brachte ihn vollständig zu Fall. Heute erinnert nur noch eine mächtige Statue an ihn: Garuda, der göttliche Vogel-Mann und Reittier Vishnus, kniet hier in ehrfürchtiger Namaste-Haltung, die Handflächen fromm aneinandergelegt.

Alte Bilder zeigen, welch imposante Erscheinung der Tempel einst war: Drei kunstvoll geschnitzte Dachstufen erhoben sich auf einem Sockel mit fünf Stufen. Die Flächen und Stützen waren reich verziert, jede Schnitzerei ein kleines Kunstwerk.

Sein zweiter Name verrät die tiefere Bedeutung: Avtar Dekhaune Mandi – „Tempel der zehn Inkarnationen“. An den Wänden und Dachbalken lebten sie in Holz weiter: Vishnus Inkarnationen als Matsya (Fisch), Kurma (Schildkröte), Varaha (Eber), Vamana (Zwerg), Parashurama (der Brahmane mit der Axt), Narasimha (Löwenmann), Rama, Krishna, Buddha und schließlich Kalki, der Vernichter der Sünder.

Auch wenn der Tempel selbst verschwunden ist, bleibt der Ort ein stilles Denkmal – eine Erinnerung an Vishnus Schutz über die Welt und an die kunstfertigen Meister, die seine zehn Avatare in Holz verewigten.

The Basantapur Durbar kathmandu

Der Basantapur Durbar, auch „Kathmandu Tower“ genannt, ragt mit neun Etagen aus rotem Ziegel und Holz empor – seine oberen Stockwerke wurden beim Erdbeben 2015 zerstört © sasimoto


 

Gaddi Baithak

Direkt gegenüber dem Trailokya Mohan erhebt sich der Gaddi Baithak – ein Bauwerk, das auf den ersten Blick fast wie ein Fremdkörper wirkt. Errichtet in der Rana-Periode zu Beginn des 20. Jahrhunderts, orientierte sich sein Stil an der National Gallery in London. Weiße Säulen, rechteckige Formen, ein Hauch europäischer Klassik – mitten im Durbar Square, wo sonst Newari-Architektur mit feinsten Schnitzereien dominiert.

Doch gerade dieser Kontrast macht den Gaddi Baithak so besonders. Er entstand in einer Zeit, in der nepalesische Adlige nach Europa reisten und neue architektonische Inspirationen mitbrachten. Hinter seiner Fassade verbarg sich einst ein prachtvoller Innenraum: ein königlicher Thron, opulente Kronleuchter und lebensgroße Porträts aller Shah-Könige. Hier wurden staatliche Feierlichkeiten abgehalten – und sogar die Kumari, die lebende Göttin, wurde von wichtigen Gästen verehrt.

Das Gebäude selbst hat eine noch längere Geschichte: Während der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass es auf den Überresten eines Tempels aus der Lichhavi-Periode errichtet wurde – eine Erinnerung daran, dass dieser Platz seit Jahrhunderten ein Zentrum der Macht ist.

Das Erdbeben von 2015 fügte dem Gaddi Baithak schwere Schäden zu. Heute ist er nicht zugänglich, doch man wartet gespannt auf seine Restaurierung, die ihn wieder in alter Pracht erstrahlen lassen soll. Bis dahin bleibt er wie ein stiller Wächter – ein Symbol für die Brücke zwischen Tradition und Moderne in Kathmandu.

Geschnitzte Statuen an der Hofmauer von Mul Chowk, Hanuman Dhoka Kathmandu

Die Steinfiguren im Mul Chowk-Hof von Hanuman Dhoka sind wahre Meisterwerke der Newari-Kunst und zeugen von einer jahrhundertealten Handwerkskunst © IpekMorel


 

Mahadeva Mandir  (Maju Deval)

Auf der Westseite des Gaddi Baithak stand einst der Mahadeva Mandir, ein Tempel, der für Tänzer, Sänger und Musiker von besonderer Bedeutung war. Heute erinnert nur noch die breite Seitentreppe an ihn – ein Platz, auf dem Einheimische und Besucher gerne verweilen, um eine Pause von ihrer Erkundungstour einzulegen.

Errichtet in den 1690er-Jahren auf Anweisung von Königin Riddhi Laxmi, feierte der Tempel die schöpferische Kraft Shivas in Verbindung mit der weiblichen Energie – einzigartig dargestellt durch die Symbole Linga und Yoni, Sinnbilder für das Männliche und Weibliche.

Die Legenden berichten, dass im Tempel einst eine goldene Statue des vielarmigen Natyeshwar, der tanzenden Form Shivas, stand. Sie galt den Newars als Schutzgott des Tanzes, des Gesangs und der Musik. Doch die Figur verschwand irgendwann spurlos – vermutlich gestohlen – und mit ihr ging ein Stück lebendiger Tradition verloren.

Obwohl der Mahadeva Mandir 2015 beim Erdbeben zerstört wurde, bleibt sein Erbe spürbar: als ein Ort, der Kunst, Musik und Spiritualität miteinander verband und den kreativen Ausdruck zu einem göttlichen Geschenk erhob.

 

Shiva Parbati Mandir

Der Shiva Parbati Mandir ist eines der schönsten Bauwerke am Durbar Square – und eines der wenigen, die die Erdbeben fast unversehrt überstanden haben. Errichtet im 18. Jahrhundert unter der Schirmherrschaft der Shah-Königsfamilie, besticht er noch heute durch seine Eleganz.

Schon von außen zieht er die Blicke auf sich: Im Fenster thronen kunstvolle Figuren von Shiva und Parbati, liebevoll nebeneinander dargestellt, als Sinnbild göttlicher Einheit. Doch wer den Tempel betritt, stellt schnell fest, dass der eigentliche Fokus im Inneren liegt. Dort sind die neun Muttergöttinnen ausgestellt, bunt bemalt und mit Tüchern, Blumen und Opfergaben geschmückt. Jede von ihnen steht für einen Planeten unseres Sonnensystems – ein faszinierendes Zusammenspiel von Mythologie und Kosmos.

Der Shiva Parbati Mandir ist damit nicht nur ein Ort der Anbetung, sondern auch ein Symbol für Harmonie, Schönheit und die Verbindung von Mensch, Gott und Universum. Besucher erleben hier Spiritualität zum Greifen nah – inmitten von Farben, Formen und Legenden.

Touristen am Hanuman Dokha Durbar Square Kathmandu

Über fast jedem buddhistischen Schrein im Hanuman Dhoka wachen die allsehenden Augen Buddhas – Sinnbild seiner Allwissenheit und Symbol ganz Nepals © Tuayai


 

Rund um die Taleju Bell

Wer sich nordwärts über den Durbar Square bewegt, sieht, wie sich der Platz zunächst verengt, bevor er sich erneut zu einem Hof voller Tempel öffnet. Auf der linken Seite erhebt sich eines der eindrucksvollsten Stücke nepalesischer Ritualkunst: die Taleju Bell, gefertigt im 18. Jahrhundert. Neben ihr stehen zwei mächtige Zeremonientrommeln. Einst riefen diese Instrumente die Menschen zum Gebet, versammelten sie zu wichtigen Anlässen oder warnten sie im Notfall – heute ertönen sie vor allem während des farbenprächtigen Dasain-Festivals.

Gleich daneben steht der Chasin Dega, ein eleganter, achteckiger Tempel aus dem 17. Jahrhundert, der ganz dem Flöte spielenden Krishna geweiht ist. Seine harmonische Form und spirituelle Bedeutung machen ihn zu einem stillen Highlight des Platzes.

Auf der gegenüberliegenden Seite, nahe am Palast, entdecken Besucher ein faszinierendes Flachrelief von Jambhuwan, dem ehrwürdigen Lehrer Hanumans. Und wer den Blick an der Palastmauer entlangschweifen lässt, entdeckt drei kunstvoll verzierte Fenster, eingefasst in Gold und Elfenbein. Hier saßen einst die Malla-Könige, um Paraden und Feierlichkeiten auf dem Square aus der ersten Reihe zu verfolgen.

Zwar hat das Erdbeben von 2015 auch diesem Areal schwere Schäden zugefügt, doch die Aura ist geblieben. Noch heute lohnt es sich, hier innezuhalten, den Platz zu durchschreiten und sich die Klangfülle vergangener Zeiten vorzustellen – wenn Glocken, Trommeln und Gesänge die Luft erfüllten.

Einheimische und Touristen in der Nähe von Hanuman Dhoka am Durbar Square

Lebendiges Treiben auf dem Durbar-Platz: Besucher aus aller Welt schlenderten hier vor dem Erdbeben 2015 durch die historischen Kulissen © Yulia-B


 

Die Sweta Bhairava Maske

Zwischen den vielen Heiligtümern am Durbar Square sticht eine Erscheinung besonders hervor: die Sweta Bhairava Maske. Ihr Name leitet sich vom Sanskrit „sweta“ ab – weiß – und tatsächlich unterscheidet sie sich von den sonst dunkelblauen oder schwarzen Bhairava-Masken. Diese hier leuchtet in einem fast unheimlichen Weiß, überzogen mit einem goldenen Schimmer.

Hinter einem schweren Holzgitter ruht das gewaltige Antlitz: mit hervorquellenden Augen, scharfen Fangzähnen und einer langen, heraushängenden Zunge. Auf ihrem Haupt thront eine Krone, besetzt mit Edelsteinen und Schädeln – ein furchteinflößender Anblick, der unvergesslich bleibt. Doch wer genau hinsieht, spürt weniger Bedrohung als Schutz: Denn diese Manifestation Shivas soll Dämonen und böse Geister vertreiben und das Volk vor Schaden bewahren.

Entstanden ist die Maske 1796 auf Anweisung von Rana Bahadur Shah. Für die meisten Besucher bleibt sie ein geheimnisvolles Bild hinter dem Zaun – doch einmal im Jahr, im September, erwacht sie zum Leben. Während des Indra Jatra Festivals wird das Gitter geöffnet. Gläubige schmücken die Maske, opfern Alkohol aus Reis – und als Höhepunkt fließt gesegneter Reisschnaps aus dem Mund Bhairavas. Jubel bricht aus, Menschen fangen die Tropfen auf, trinken sie als heiligen Segen und feiern das Ritual bis spät in die Nacht.

So ist die Sweta Bhairava Maske mehr als nur ein Kunstwerk: Sie ist ein lebendiges Symbol für den Sieg des Göttlichen über das Dunkle – furchteinflößend und schützend zugleich.

 

Krishna Mandir

Um den Bau des Krishna Mandir im Jahr 1648 durch König Pratap Malla ranken sich viele Geschichten – und jede klingt ein wenig wie eine Legende. Manche sagen, er habe den achteckigen Tempel errichten lassen, um dem berühmten Krishna-Tempel in Patan zu entsprechen. Andere sehen darin den Versuch, die Gunst der Götter zu gewinnen, nachdem er vergeblich versucht hatte, Patan zu erobern. Eine weitere Theorie deutet auf ein sehr persönliches Motiv hin: den Tod seiner beiden Hauptehefrauen. Diese Annahme wird durch das Innere des Tempels gestützt, wo Krishna zusammen mit seinen Gemahlinnen Rukamani und Satyabhama dargestellt war – gefertigt in einer Weise, dass ihre Gesichter stark an Pratap Malla und seine Frauen erinnerten.

Unabhängig vom wahren Grund war der Krishna Mandir ein architektonisches Meisterwerk. Drei aufragende Ebenen im traditionellen Newari-Stil erhoben sich über massiven Steinsäulen, die das Dach stützten. Der Tempel verband Eleganz mit Robustheit und prägte den Platz über Jahrhunderte.

Das Erdbeben von 2015 zerstörte große Teile des Bauwerks. Geblieben ist die Plattform, auf der er einst stand – heute ein beliebter Treffpunkt. Hier sitzen Anwohner und Besucher nebeneinander, genießen die Aussicht oder klettern hinauf, um den Durbar Square aus einer besseren Perspektive zu betrachten.

So bleibt der Krishna Mandir, auch in seiner heutigen Form, ein Ort voller Geschichten, Erinnerungen – und ein Platz, an dem Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen.

Touristen gehen am Durbar Square spazieren

Bunte Stände voller Schmuck und Souvenirs verleihen den Höfen von Hanuman Dhoka ein lebendiges Markttreiben © sasimoto


 

Jagannath Mandir

An der Ostseite des Durbar Square erhebt sich der Jagannath Mandir, ein Tempel aus dem 16. Jahrhundert, erbaut im typischen Pagodenstil. Gewidmet ist er Jagannath, dem Gott, der mit einem mächtigen, unaufhaltsamen Wagen verehrt wird – ein Bild so kraftvoll, dass daraus im Englischen das Wort „juggernaut“ (Moloch) entstand.

Doch es sind nicht nur seine Geschichte und Architektur, die Blicke auf sich ziehen, sondern vor allem die kunstvollen Holzschnitzereien an den unteren Ebenen. Sie zeigen freizügige Szenen – Dreier, athletische Posen und sogar Sodomie. In Kathmandu wird bis heute viel darüber getuschelt. Warum aber schmücken derart provozierende Bilder einen heiligen Tempel? Die Erklärungen gehen auseinander: Manche sehen darin einen Hinweis auf den tantrischen Weg, bei dem Sexualität Teil der spirituellen Erleuchtung ist. Andere wiederum glauben, die Darstellungen sollten die jungfräuliche Blitzgöttin besänftigen – damit ihre zerstörerische Kraft nicht entfesselt wird.

Direkt neben dem Tempel an der Palastmauer findet man zudem eine bemerkenswerte Inschrift aus dem Jahr 1664 von König Pratap Malla. In 15 verschiedenen Sprachen – darunter sogar Englisch und Französisch – widmete er ein Gedicht der Göttin Kali. Eine Legende besagt, dass frische Milch aus einem nahegelegenen Hahn fließe, wenn es jemand schafft, das gesamte Gedicht fehlerfrei zu lesen.

So vereint der Jagannath Mandir religiöse Hingabe, rätselhafte Symbolik und königliche Poesie – und bleibt einer der faszinierendsten Tempel am Durbar Square.

 

Kala Bhairava

Gegenüber dem Jagannath Mandir thront eine Statue, die kaum jemand übersehen kann: der mächtige Kala Bhairava, die furchterregende schwarze Erscheinung Shivas. Mit seinen 3,50 Metern Höhe aus massivem Stein wirkt er ebenso imposant wie geheimnisvoll. Historiker vermuten, dass er ursprünglich in der Lichhavi-Periode entstand. Doch gefunden wurde er Jahrhunderte später – zwischen 1641 und 1674 – in einem Feld nördlich von Kathmandu, während der Herrschaft König Pratap Mallas.

Die Figur zeigt Kala Bhairava in wilder Ekstase: rundlich, kraftvoll, tanzend auf dem Körper eines besiegten Dämons. Sein Anblick strahlt zugleich Macht und Schrecken aus. Kein Wunder also, dass sich unzählige Legenden um ihn ranken.

Besonders berüchtigt ist sein Standort: direkt gegenüber dem ehemaligen Justizbüro. Es heißt, wer unter Bhairavas Augen eine Lüge ausspricht, verfällt einem grausamen Schicksal – er wird krank, erbricht Blut und stirbt. In einer neueren Erzählung heißt es gar, dass die Statue zeitweise in einen Tempel verlegt wurde, weil vor Gericht so viele Zeugen logen, dass man ein Massensterben fürchtete.

So bleibt Kala Bhairava bis heute nicht nur eine Statue, sondern ein Sinnbild göttlicher Gerechtigkeit – ein stiller, steinerner Wächter, der Wahrheit von Lüge trennt.

Taleju-Tempel und Hanuman-Dhoka-Palast Kathmandu

Der Königspalast und der Tempel Teledzhu im Hanuman Dhoka-Komplex bilden zusammen ein eindrucksvolles Ensemble am Durbar-Platz in Kathmandu © irinabal18


 

Taleju Mandir

Über allem am Durbar Square erhebt sich der Taleju Mandir, der höchste und zugleich imposanteste Tempel Kathmandus. Mit seinen 40 Metern Höhe, errichtet auf einem massiven Podest aus zwölf Stufen, dominiert er seit dem 16. Jahrhundert die Skyline der Stadt. König Mahendra Malla ließ ihn bauen und bestimmte, dass niemals ein anderes Gebäude höher sein dürfe – ein Gesetz, das bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Bestand hatte.

Auch das Erdbeben von 2015 konnte seiner Aura nichts anhaben. Zwar wurde er beschädigt, doch bis heute wird er liebevoll restauriert und bleibt ein überwältigender Anblick, selbst von außen.

Doch der Zugang ist streng geregelt: Ausländische Besucher dürfen den Tempel nicht betreten, und selbst Nepalesen erhalten nur am neunten Tag des Dasain-Festivals Einlass. Das macht Taleju Mandir zu einem heiligen Ort voller Geheimnisse.

Die Göttin Taleju Bhawani, der er geweiht ist, ist einzigartig: eine Verschmelzung der hinduistischen Durga, Muttergöttin und Bezwingerin der Dämonen, mit der buddhistischen Tara, der weiblichen tantrischen Gottheit. Die Malla-Könige brachten ihren Kult im 14. Jahrhundert aus Südindien nach Nepal und machten sie zu ihrer Schutzgöttin.

Hinter dem großen Tempel befindet sich ein kleineres Backsteinhaus, das der älteren Schwester Talejus, Tarani Devi, geweiht ist – ein weiteres Puzzlestück im geheimnisvollen Kosmos dieses Heiligtums.

So bleibt der Taleju Mandir nicht nur das höchste, sondern auch das spirituell tiefgründigste Bauwerk des Platzes – ein Tempel, den man zwar nicht betreten kann, dessen Präsenz man aber noch in der Ferne spürt.

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